Anzugträger
Liebe J.,
Vorsätzliche Herbeiführung des VerFalls in der Kfz-Haftpflichtvers.
StVG § 7; VVG § 103
1. Die Halterhaftung für Unfälle beim Betrieb des Kfz scheidet nach § 7 Abs. 3 StVG aus, wenn jemand das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen des Halters benutzt. Dann haftet anstelle des Halters der unbefugte Fahrer, die Haftung des Halters bleibt nur bestehen, wenn er die Benutzung schuldhaft ermöglicht hat. Dass das Fahrzeug ohne sein Wissen und Wollen benutzt wurde, muss der Halter beweisen.
2. Der Risikoausschluss des § 103 VVG für einen vorsätzlich herbeigeführten Unfall gilt für den VN und ebenso für den mitversicherten Fahrer auch im Rahmen der Kfz-Pflichtvers.
OLG Nürnberg, Urteil vom 7. 6. 2011 - 3 U 188/11
Zum Sachverhalt:
Die Kl. nimmt die Bekl. auf Leistungen aus einer Kraftfahrzeughaftpflichtvers. in Anspruch. Die Bekl. ist Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Pkw Opel Corsa, der verstorbenen J Z Am 28. 4. 2009 gegen 17:00 Uhr fuhr der Fahrer der Kl. mit einem Lkw samt Sattelauflieger auf der Bundesstraße 8. Auf Höhe des Bahnhofes E kam ihm der Opel Corsa der J Z entgegen. Dieses Fahrzeug kam nach links auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit dem Lkw-Gespann zusammen. Das Gespann wurde durch den Anstoß teilweise auf die Gegenfahrbahn geschleudert und kam quer zur Fahrbahn zum Stehen. Es fing Feuer und brannte völlig aus. Der Fahrer des Opel Corsa, D F verstarb bei dem Unfall. Die Halterin des Opel Corsa, J Z, befand sich vor dem Unfall nach einer Strangulation mit einem Wollschal bewusstlos und mit unbekleidetem Oberkörper im Kofferraum ihres Fahrzeuges. Um die beiden Beine der J Z lag ein lose geschlungenes beiges Nylonseil. Am linken Handgelenk befand sich eine Art Bandage, welche um die Daumenwurzel gewickelt war. Sie wurde durch den Aufprall durch die Heckscheibe des Fahrzeugs aus diesem geschleudert.
Beim Fahrer des Opel Corsa, D F, wurden Alkoholkonzentrationen in der Venenblutprobe zwischen 0,878‰ und 1,329‰ zum Zeitpunkt des Ablebens festgestellt. Überdies wurden bei ihm Gamma-Hydroxybuttersäure (sog. Liquid Ecstasy) in einer Konzentration von 70 μ Gramm/ml gemessen. Aufgrund der gleichzeitigen Alkoholkonzentration geht das rechtsmedizinische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität E-N. von einer Wirkungsverstärkung des Liquid Ecstasy aus. Diese könnte sich zum einen in sedierenden Effekten wie Benommenheit und motorischer Beeinträchtigung, zum anderen aber auch in Enthemmungserscheinungen geäußert haben. Ein Abschiedsbrief des Corsafahrers wurde nicht gefunden.
Die Kl. beziffert ihre eigenen Schäden mit 34615,34 €. Nachdem die Bekl. die Aktivlegitimation der Kl. hinsichtlich des Schadens des geleasten Maschinenfahrzeuges in Höhe von 73500,00 € gerügt hatte, beauftragte die S GmbH die Kl. im Laufe des Verfahrens, diese Forderung geltend zu machen.
Die Kl. hat behauptet, dass der Verstorbene D F den Pkw nicht vorsätzlich in Suizidabsicht in den entgegenkommenden Lkw gelenkt habe. Es sei nicht geklärt worden, ob der Verstorbene Suizidabsicht hatte. Aufgrund der erheblichen Alkoholisierung sowie des Drogenkonsums käme auch eine andere Unfallursache in Betracht. Die Kl. hat die Meinung vertreten, dass die Bekl. sich nicht auf § 103 VVG stützen könne, auch höhere Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG sei nicht nachgewiesen. Auch käme § 117 Abs. 3 Satz 2 VVG nicht zur Anwendung.
Die Bekl. hat behauptet, dass D F den Pkw vorsätzlich und in Suizidabsicht gegen den Lastkraftwagen gelenkt habe. Die Bekl. sei aufgrund dieser vorsätzlichen Herbeiführung des VersFalles leistungsfrei. Die Kl. könne auch einen anderen Schadenversicherer auf Ersatz ihres Schadens in Anspruch nehmen. Die Bekl. ist der Ansicht, es bestünde ein Leistungsausschluss gem. § 103 VVG sowie aus § 2d Abs. 4a AKB. Die Haftung sei auch deshalb ausgeschlossen, da der Fahrer F das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt ohne Wissen und Wollen der Fahrzeughalterin benutzt habe.
Das LG hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Es hat einen Direktanspruch der Kl. gegen die Bekl. gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG bejaht. Die grundsätzliche Haftung der Halterin nach § 7 Abs. 1 StVG sei nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht worden sei. Auch sei ein Ausschluss der Haftung gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 StVG nicht gegeben, weil die Bekl. nicht nachgewiesen habe, dass das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen der Halterin benutzt worden sei. Ein Haftungsausschluss nach § 103 VVG sei nicht gegeben, weil § 103 VVG auf den VN und damit auf die Halterin des Fahrzeuges abstelle. Ein vorsätzliches Handeln der Halterin sei jedoch nicht ersichtlich. Eine Zurechnung eines Verschuldens des mitversicherten Fahrers finde nicht statt.
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Bekl. ist begründet, weil die Bekl. weder als Haftpflichtversicherer der Halterin J Z, noch als Haftpflichtversicherer für den Fahrer D F in Anspruch genommen werden kann.
I. Ein Anspruch gegen die Bekl. als Kfz-Haftpflichtversicherer der Halterin J Z gem. §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 7 Abs. 1 StVG besteht nicht.
1. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG vor, weil beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges eine Sache beschädigt wurde und die Bekl. Haftpflichtversicherer der Halterin ist.
2. Auch ist der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 2 StVG nicht gegeben, weil der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht wurde.
Für den Bereich des Haftpflichtschadens hat die Rspr. höhere Gewalt definiert als ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 18). Die drei wesentlichen Elemente der höheren Gewalt sind damit dahingehend zusammenzufassen, dass es eines von außen einwirkenden außergewöhnlichen und nicht abwendbaren Ereignisses bedarf. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Denn der Unfall wurde nicht durch einen Außenstehenden verursacht, sondern durch den Fahrer des Corsa, D F. Es liegt somit kein vorsätzlicher Eingriff eines anderen in den Straßenverkehr vor (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, aaO Rdnr. 19).
3. Eine Haftung der Bekl. für die Halterin J Z scheidet jedoch aus, weil das Fahrzeug ohne ihr Wissen und ihr Wollen benutzt wurde und sie die Benutzung des Fahrzeuges nicht durch ihr Verschulden ermöglicht hat (§ 7 Abs. 3 Satz 1 StVG).
a) Die Halterhaftung für Unfälle beim Betrieb scheidet aus, wenn jemand das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen des Halters benutzt. Denn dann haftet anstelle des Halters der unbefugte Benutzer und neben diesem der Halter nur, wenn er die Benutzung schuldhaft ermöglicht hat. Benutzung ohne Wissen und Wollen des Halters bedeutet gegen sein Wissen und seinen Willen (Hentschel/König/Dauer, StVR, 41. Auflage, § 7 StVG Rdnr. 10). Dass das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen des Halters benutzt wurde, muss der Halter beweisen (Hentschel/König/Dauer, aaO, § 7 Rdnr. 60).
aa) Das LG geht in seinem Urteil davon aus, dass hinsichtlich des Geschehens am 28. 4. 2009 keine gesicherten und bewiesenen Umstände vorlägen.
bb) Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Der Beweis, dass das Fahrzeug ohne Wissen und Wollen der Halterin geführt wurde, ergibt sich aus den Gesamtumständen.
Bei der Beweisführung genügt hierfür ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 2000, 953).
Hierbei ist aufgrund der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft bei dem LG Nürnberg-Fürth davon auszugehen, dass D F und die Halterin J Z am Nachmittag des 28. 4. 2009 gemeinsam mit dem Fahrzeug der J Z weggefahren sind. Wer das Fahrzeug zunächst gefahren hat, ist nicht festgestellt worden. Auszugehen ist jedoch davon, dass D F jedenfalls keine Fahrerlaubnis besaß. Im Laufe des Nachmittages des 28. 4. 2009 kam es zu massiver Gewalteinwirkung gegen die verstorbene J Z, die laut Obduktionsbericht zu Verletzungen an Kopf und Oberkörper geführt hat. Des Weiteren kam es zu einer Gewalteinwirkung gegen den Hals i.S. eines Drosselns mit dem Zeichen einer Sauerstoffmangelversorgung des Körpers. Der zum Drosseln benutzte Schal ist laut Ermittlungsakte dem Fahrer D F zuzuordnen. Der Senat hat keinerlei Zweifel daran, dass die Verletzungen und die schließlich zum Tode führende Strangulation der J Z auf D F zurückgehen. Er hat die teilweise geknebelte, halb entkleidete J Z, bei der der Kreislauf bereits schon weitgehend in Folge einer vorangegangenen Drosselung zum Erliegen gekommen war, in den Kofferraum des Corsa verbracht.
Eine Schwarzfahrt i.S. des § 7 Abs. 3 Satz 1 StVG muss ohne Wissen und Wollen des Halters erfolgt sein. Entscheidend ist, dass die Benutzung gegen den ausdrücklichen oder konkludenten Willen des Halters erfolgt. Maßgeblich ist hierbei der Gesamtcharakter der Fahrt (Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 7 StVG Rdnr. 24). Selbst wenn die Halterin das Fahrzeug zu einem früheren Zeitpunkt an den Fahrer D F überlassen hatte und selbst wenn dies zunächst auch noch am 28. 4. 2009 der Fall gewesen sein sollte, so liegen diese Voraussetzungen zur Überzeugung des Senates spätestens nach der massiven Gewaltanwendung und dem Verbringen der noch lebenden Halterin in den Kofferraum nicht mehr vor. Spätestens ab diesem Zeitpunkt geschah die Benutzung des Fahrzeuges gegen den Willen der Halterin.
b) Eine Haftung der Bekl. als Haftpflichtversicherer für die Halterin neben dem Schwarzfahrer kommt nicht in Betracht, weil die Benutzung des Fahrzeuges nicht durch ihr Verschulden ermöglich worden ist (§ 7 Abs. 3 Satz 1 2. HS StVG). Für Tatsachen, die auf die Schuld des Halters schließen lassen, ist der Geschädigte beweispflichtig, den Entlastungsbeweis für mangelnde Sorgfalt muss der Halter erbringen (Hentschel aaO § 7 Rdnr. 60). Es kann hier dahinstehen, ob die Halterin dem Fahrer die Benutzung des Fahrzeuges am Nachmittag des 28. 4. 2009 zunächst gestattet hatte. Denn die Schwarzfahrt als solche, die nach ihrer Misshandlung erfolgte, hat sie nicht durch ihr Verschulden ermöglicht. Hierzu bedarf es unter Hinweis auf obige Feststellungen keiner weiteren Ausführungen.
4. Weil eine Haftung nach § 7 StVG für die Halterin schon dem Grunde nach nicht gegeben ist, bedarf es an dieser Stelle keiner Überlegungen zu § 103 VVG. Ein solcher Ausschluss würde jedoch in diesem Fall nicht greifen, da die Halterin selbst nicht vorsätzlich und widerrechtlich gehandelt hat und eine Zurechnung des Handelns des Fahrers nicht möglich ist (BGH, VersR 1971, 239; OLG Nürnberg r+s 2001, 100 = NJW-RR 2001, 100; OLG Saarbrücken OLG-Report 1998, 442).
II. Die Bekl. haftet auch nicht als Versicherer für den Fahrer, weil hier ein Haftungsausschluss nach § 103 VVG gegeben ist.
1. Eine Haftung des Fahrers ist nach §§ 18, 7 StVG gegeben.
2. Insoweit bestünde ein Direktanspruch gegen die Bekl. gem. § 115 VVG i.V. mit § 10 Abs. 2 Nr. 4 AKB, weil auch der Fahrer mitversicherte Person ist.
3. Jedoch ist die Bekl. nicht zur Leistung verpflichtet, weil der Fahrer den VersFall vorsätzlich herbeigeführt hat (§§ 103, 117 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 VVG, § 2b Abs. 4a AKB).
a) Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass § 103 VVG auch für den mitversicherten Fahrzeugführer gilt (BGH NJW 1971, 459, OLG Oldenburg r+s 99, 236 = VersR 1999, 482; OLG Hamm NJW-RR 2006, 397 = r+s 2006, 33; Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 103 Rdnr. 2).
Zwar ist richtig, dass § 103 VVG nur vom VN spricht. Der BGH hat in oben zitierter Rspr jedoch diese Bestimmung auch auf den versicherten Fahrzeugführer, der nicht VN ist, ausgedehnt. Dabei ist davon auszugehen, dass das VVG von dem Normalfall der Eigenvers. ausgeht und deshalb regelmäßig nur vom VN spricht. Ohne das besonders hervorzuheben, meint es aber für den Fall, dass wie beim mitversicherten Fahrer eine Fremdvers. vorliegt, vielfach auch den Versicherten. Soweit es sich nicht um Rechte und Pflichten handelt, die ihrer Natur nach nur von den Vertragsparteien erfüllt werden können, ist der Versicherte dem VN weitgehend gleichgestellt. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinne und Zweck des Gesetzes. § 103 VVG geht davon aus, dass demjenigen, der einen Schaden widerrechtlich und vorsätzlich herbeigeführt hat, kein VersSchutz gewährt werden kann. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob es sich bei dem Schädiger um den VN oder um den Versicherten handelt. Wenn der Versicherer grundsätzlich verpflichtet ist, auch für Schäden einzustehen, die ein Schwarzfahrer verursacht, so muss ihm die gleiche Risikobegrenzung nach § 103 VVG zugute kommen, die ihm dann zusteht, wenn der VN selbst durch vorsätzliches Handeln den Schaden herbeigeführt hat. Es ist nicht einzusehen, dass der Versicherer im Falle des vorsätzlich handelnden Schwarzfahrers haftet, also schlechter gestellt sein soll, als im Fall einer vorsätzlichen Schadenverursachung durch den Halter und VN (vgl. BGH aaO).
b) Der Senat geht vorliegend von vorsätzlicher und widerrechtlicher Herbeiführung des VersFalles aus. Hierbei ist der Versicherer für den Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genügt, und für die Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit beweispflichtig (Prölss/Martin/Lücke, VVG, 28. Aufl., § 103 Rdnr. 7). Auch hierbei genügt zur Beweisführung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Aufgrund der Gesamtumstände des Geschehens ist der Senat davon überzeugt, dass der Fahrer das Fahrzeug in Suizidabsicht auf das Fahrzeuggespann der Kl. gelenkt hat und damit den bei dieser eingetretenen Schaden vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. Hierbei ist zunächst zu sehen, dass D F mit J Z eine Liebesbeziehung anfangen wollte. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeuginnen …, die von der Kl. nicht bestritten wurden. Auch ergibt sich dies aus dem von der Polizei sichergestellten Liebesbrief. In dieser Situation kam es am Nachmittag des 28. 4. 2009 zu einer Eskalation der Ereignisse. Aufgrund des Obduktionsberichtes steht fest, dass es zu massiver Gewalteinwirkung am Kopf und im Oberkörperbereich der getöteten J Z kam. Darüber hinaus wurde J Z mit einem dem Fahrer zuzuordnenden Schal so massiv stranguliert, dass es zu einem weitgehenden Erliegen des Kreislaufes kam. Die schwerverletzte und dem Tode nahe J Z wurde weitestgehend entkleidet und stranguliert in den Kofferraum ihres Autos verbracht. Der Senat hat keinerlei Zweifel daran, dass Täter dieses Tötungsdeliktes D F war. Die Begehung der Tat durch einen Dritten scheidet nach Ansicht des Senats aus. D F hat damit die junge Frau, mit der er ein Liebesverhältnis beginnen wollte, stranguliert, fast getötet und entkleidet und stranguliert in den Kofferraum gelegt. Die Gesamtsituation muss ihm ausweglos erschienen sein. Das Unfallgeschehen als solches ist durch nichts erklärbar. Die Strecke selbst ist über eine weite Strecke hin gesehen völlig gerade. Am Unfallort ließen sich keinerlei Schleuderspuren des Corsa oder auch Bremsspuren feststellen. Übereinstimmend gehen die Zeugen davon aus, dass der Corsa mit hoher Geschwindigkeit auf den Lkw aufgefahren ist. Der Tacho zeigte nach dem Aufprall eine Geschwindigkeit von 160 km/h an, der Drehzahlmesser eine Umdrehungszahl von 5500 Umdrehungen pro Minute. Auch dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass das Fahrzeug mit sehr hoher Geschwindigkeit und Drehzahl in den Gegenverkehr gesteuert wurde. Hierbei ist es nach Ansicht des Senats unerheblich, ob dies langsam oder abrupt (so die Aussage Zeuge X) geschehen ist. Denn beide Verhaltensweisen sprechen nicht gegen die Suizidabsicht.
Zwar ist richtig, dass bei D F eine Alkoholkonzentration in der Venenblutprobe zum Zeitpunkt des Ablebens zwischen 0,878‰ und 1,329‰ festgestellt und Gamma-Hydroxybuttersäure in einer Konzentration von 70 μ Gramm/ml gemessen wurde und dass das rechtsmedizinische Gutachten vom 20. 7. 2009 davon ausgeht, dass sich das Zusammenwirken in sedierenden Effekten wie Benommenheit und motorischer Beeinträchtigung, zum anderen sich aber auch in Enthemmungserscheinungen geäußert haben könnte. Andererseits hat der Zeuge Y aber auch unbestritten ausgesagt, dass sich der Fahrer des Fahrzeuges in der Zeit zwischen 16:00 Uhr und 16:25 Uhr, also ca. eine halbe Stunde vor dem Unfall bei ihm eingefunden habe und er „gut drauf” gewesen sei. Damit ist nicht davon auszugehen, dass, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die Ecstasyeinnahme noch nicht erfolgt war und auch teilweise danach noch Alkohohl zu sich genommen wurde, bei D F im Unfallzeitpunkt eine Einschränkung der geistigen Fähigkeiten vorgelegen hat, die den Vorsatz ausschließen könnte.
Insgesamt hat der Senat den Grad an Gewissheit erlangt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, dass der Unfall aufgrund der vorausgegangenen Ereignisse vom Fahrer in Suizidabsicht herbeigeführt wurde und damit vorsätzlich und widerrechtlich.
c) Das Freiwerden des Versicherers gilt auch gegenüber Dritten, also auch gegenüber der Kl.
aa) Zwar ist gem. § 117 Abs. 1 VVG bei einem Freiwerden des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung dem VN gegenüber gleichwohl die Verpflichtung in Ansehung eines Dritten gegeben. Jedoch ist nach § 117 Abs. 3 Satz 1 VVG der Versicherer nur im Rahmen der vorgeschriebenen MindestversSumme und der von ihm übernommenen Gefahr zur Leistung verpflichtet. Übernommen ist hier jedoch nicht die Gefahr für eine vorsätzliches Herbeiführen des VersFalles (vgl. § 2b Abs. 4a AKB).
bb) Durch den gesetzlichen Ausschluss der Einstandspflicht der Bekl. ist die Kl. auch nicht rechtlos gestellt. Denn ihr steht gem. § 12 Abs. 1 Nr. 3 PflVG in diesen Fällen ein Anspruch gegen den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen zu. Dieser Anspruch ist vorliegend jedoch nicht streitgegenständlich.
Hinweise d. Schriftltg.:
Wie OLG Nürnberg auch OLG Düsseldorf r+s 2003, 258 und OLG Oldenburg r+s 99, 236. Allerdings hat das OLG Oldenburg eine fortbestehende Halterhaftung nach § 7 Abs. 3 StVG bejaht, weil der Halter einem angetrunkenen selbstmordgefährdeten Teilnehmer einer privaten Feier durch unzureichende Verwahrung der Kfz-Schlüssel die Ingebrauchnahme des bereitstehenden Pkw ermöglicht hatte. Wie das OLG Nürnberg geht zudem das OLG Hamm r+s 2006, 33 davon aus, dass § 103 VVG (§ 153 VVG a.F.) auch bezüglich des mitvers. Fahrers anzuwenden ist. Anders allerdings (Eintrittspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherer auch bei Vorsatz) das OLG Frankfurt r+s 96, 472 mit krit. Anmerkung Lemcke in r+s 496, 483. Möglicherweise hat das OLG Frankfurt in seiner vereinzelt gebliebenen Entscheidung § 12 Abs. 1 Nr. 3 PflVG übersehen.
Überlässt ein Halter sein Fahrzeug einem Fahrer freiwillig bzw. entfällt die Haftung des Halters nicht nach § 7 Abs. 3 StVG, so bleibt die Halterhaftung auch dann bestehen, wenn der Fahrer den Unfall vorsätzlich herbeiführt. Allerdings bleibt der VersSchutz des Halters bestehen, der Halter muss sich das vorsätzliche Verhalten des Fahrers auch dann nicht zurechnen lassen wenn es sich bei dem Fahrer um seinen Repräsentanten handelt (vgl. OLG Köln r+s 00, 316; OLG Nürnberg r+s 2001, 100 und Stiefel/Maier, AKB Kommentar, 18. Aufl. F.Rn. 10).
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